Wenn der Hausverwalter zu viel Macht hat: Was Wohnungseigentümer über Vertretungsbeschränkungen wissen müssen

Zusammenfassung: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Hausverwalter bei „Verkehrsgeschäften“ mit Wohnungseigentümern eine unbeschränkbare Vertretungsmacht haben. Dies betrifft Verträge, die auch mit Dritten geschlossen werden könnten, wie Arbeitsverträge. Wohnungseigentümer können die Vertretungsmacht nur noch durch ausdrückliche Beschlüsse begrenzen, wobei bei Verkehrsgeschäften solche Beschränkungen nach der neuen Rechtsprechung wirkungslos sein sollen. Die Entscheidung ist umstritten und schränkt die Einflussmöglichkeiten von Eigentümern ein.

Als Wohnungseigentümer haben Sie sich sicher schon einmal gefragt, welche Befugnisse Ihr Hausverwalter eigentlich hat und wo dessen Grenzen liegen. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sorgt nun für Klarheit – und bringt gleichzeitig neue Unsicherheiten mit sich.

Die Ausgangslage: Wenn der Verwalter zum Arbeitgeber wird

Stellen Sie sich vor: Sie sind Wohnungseigentümer in einer großen Anlage und arbeiten gleichzeitig als Hausmeister für die Eigentümergemeinschaft. Dann kündigt Ihnen der Verwalter – aber hat er dazu überhaupt das Recht? Genau diese Frage musste das Bundesarbeitsgericht kürzlich entscheiden und kam zu einem bemerkenswerten Ergebnis.

 

Vertretungsmacht nach außen vs. innen: Der entscheidende Unterschied

Nach § 9b WEG hat der Verwalter grundsätzlich eine sehr weitreichende Vertretungsmacht für die Eigentümergemeinschaft. Diese Macht ist gegenüber Dritten praktisch unbeschränkbar – ein wichtiger Schutz für den Rechtsverkehr. Aber was gilt im Verhältnis zu den Wohnungseigentümern selbst?

Hier wird es kompliziert: Im sogenannten „Innenverhältnis“ – also bei Rechtsgeschäften zwischen der Eigentümergemeinschaft und den Eigentümern selbst – können durchaus Beschränkungen greifen. Dies betrifft zwei wichtige Bereiche:

  • Sozialansprüche: Mahnungen wegen unpünktlicher Hausgeldzahlung oder Abmahnungen bei Regelverstößen
  • Verkehrsgeschäfte: Verträge, die auch mit Außenstehenden geschlossen werden könnten – wie Arbeitsverträge

 

Wann kann die Vertretungsmacht beschränkt werden?

Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt: Eine Beschränkung der Vertretungsmacht ist nur durch ausdrückliche Vereinbarung oder Beschluss möglich. Ohne einen solchen Beschluss handelt der Verwalter grundsätzlich im Rahmen seiner umfassenden Befugnisse.

Darüber hinaus orientiert sich die Vertretungsmacht an der Geschäftsführungsbefugnis nach § 27 WEG. Der Verwalter darf alle Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung treffen, die:

  • untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen, oder
  • zur Wahrung einer Frist oder Abwendung eines Nachteils erforderlich sind

 

Die kontroverse Entscheidung: Verkehrsgeschäfte im Fokus

Besonders umstritten ist die Aussage des Gerichts zu sogenannten „Verkehrsgeschäften“. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass bei Verträgen, die die Eigentümergemeinschaft auch mit Dritten abschließen könnte, interne Beschränkungen der Vertretungsmacht nicht gelten sollen.

Achtung: Diese Entscheidung steht im Widerspruch zu früherer Rechtsprechung und ist in der Fachwelt stark umstritten. Kritiker bemängeln, dass das Gericht seine Argumentation nicht ausreichend belegt hat.

Praktische Folgen für Wohnungseigentümer

Was bedeutet das für Sie als Wohnungseigentümer?

  • Bei Sozialansprüchen: Hier können Sie weiterhin durch Beschluss die Vertretungsmacht des Verwalters begrenzen
  • Bei Gerichtsverfahren: Sobald ein Gericht beteiligt ist, greifen die Beschränkungen nicht mehr
  • Bei Verkehrsgeschäften: Nach der neuen Rechtsprechung sind interne Beschränkungen wirkungslos

 

Haftung des Verwalters bleibt bestehen

Wichtig: Die erweiterte Vertretungsmacht ist kein Freibrief für den Verwalter. Überschreitet er erkennbar seine Befugnisse oder missachtet Beschlüsse, haftet er der Eigentümergemeinschaft für entstehende Schäden.

Schutz vor Missbrauch

Ist der Vollmachtsmissbrauch für Sie als Wohnungseigentümer erkennbar – etwa weil Sie die Beschlusslage kennen – können Sie sich auf Kollusion und Missbrauch der Vertretungsmacht berufen.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

  • Prüfen Sie Ihre Beschlusslage: Welche Beschränkungen der Vertretungsmacht bestehen bereits?
  • Formulieren Sie klare Vorgaben: Wenn Sie die Vertretungsmacht begrenzen wollen, tun Sie dies ausdrücklich per Beschluss
  • Dokumentieren Sie alles: Halten Sie Beschränkungen schriftlich fest
  • Bleiben Sie aufmerksam: Überwachen Sie das Handeln Ihres Verwalters kritisch

 

Besondere Vorsicht bei Arbeitsverträgen

Wenn Wohnungseigentümer gleichzeitig für die Gemeinschaft arbeiten, sollten die Vertragsbedingungen vorab klar per Beschluss geregelt werden. Die neue Rechtsprechung macht es schwieriger, nachträglich gegen unerwünschte Vertragsgestaltungen vorzugehen.

Fazit

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bringt mehr Rechtssicherheit für Verwalter, schränkt aber die Einflussmöglichkeiten von Wohnungseigentümern ein. Umso wichtiger wird es, präventiv klare Regelungen zu treffen und die Vertretungsmacht des Verwalters gezielt zu begrenzen, wo dies gewünscht ist. Als erfahrener Anwalt empfehle ich Ihnen, bei komplexeren Sachverhalten nicht zu zögern und frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen. Nur so können Sie Ihre Rechte als Wohnungseigentümer optimal schützen und unliebsame Überraschungen vermeiden.